20 Januar, 2008

BOBBY FISCHER (1943-2008): TOD EINES GENIES

Bobby Fischer ist am 17. Januar 2008 im Alter von 64 Jahren verstorben. Seinen letzten Zug tat Schachlegende Bobby Fischer auf Island. Und es passt irgendwie zu ihm und seiner schrillen Biografie, dass er ausgerechnet hier zu atmen aufhörte. Gestorben ist er in dem Land nahe am Polarkreis, wo er vor 35 Jahren als erster US-Bürger in einem spektakulären Match gegen Boris Spasski, einem Sowjetrussen, den Weltmeistertitel im Spiel der Könige errang. Er wurde zum Volksheld, der den kalten Krieg auf dem Schachbrett für den Westen entschied. Sein darauf folgender Abstieg wurde von Schachfans in aller Welt mit Staunen und Verblüffung verfolgt. Bobby Fischer, das jähzornige Genie, machte auch außerhalb des Schachsports Schlagzeilen: Mit seinen Hasstiraden gegen Juden, seinem Feldzug gegen den Kapitalismus, seinem Gefängnisaufenthalt. Sein Leben lieferte genug Stoff für Bücher, einen Film, ein Musical und eine 900 Seiten starke FBI-Akte.

Mit 14 wurde Fischer jüngster amerikanischer Schachmeister

Robert James Fischer, genannt Bobby, wurde am 9. März 1943 in Chicago geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Brooklyn, bei seiner alleinerziehenden Mutter Regina auf. Mit sechs bekam Fischer sein erstes Schachbrett, mit 14 wurde er jüngster amerikanischer Meister. Ein Jahr später brach er die Schule ab - obwohl ihm ein Intelligenzquotient von 184 attestiert wurde. Er galt als überdurchschnittlich begabt und unfassbar unbequem.

Foto: 21. Juni 1957 im Manhattan Schachklub in New York: Der 14-jährige Bobby Fischer spielt gegen Charles Saxon. Es war eines der wenigen Matches, die er nicht gewann.


Foto: Juni 1958, Bobby Fischer bei einem Trainingsspiel mit dem sowjetischen Großmeister Tigran Petrosian im Zentralen Schachklub von Moskau.


Foto: Der junge Star: Bobby Fischer 1959 im Kongresshaus Zürich

Ein eigenartiger Egozentriker wird Schachweltmeister

Das ganze Drama um Bobby Fischer begann im Sommer 1972 in einer schmucklosen Halle in Reykjavik. Dort fand der Schaukampf der Supermächte statt, ein Turnier Ost gegen West. Er sollte den USA endlich zum Ruhm verhelfen. Doch Fischer lehnte ab mit der Begründung, das Preisgeld von damals 375.000 Mark sei ihm zu wenig. Erst auf Bitten von Henry Kissinger ("Amerika wünscht sich, dass Sie hinfahren und den Russen besiegen") und einem zusätzlichen Scheck eines Londoner Bankmillionärs, ließ sich Fischer umstimmen. Die Sonderwünsche Fischers arteten derart aus, dass der sowjetische Geheimdienst KGB kapitalistische Sabotage witterte und sogar Fischers Stuhl mit Röntgenstrahlen auf Wanzen überprüfte. Es nützte ihnen nichts. Fischer gewann. Und wurde weltweit zum Helden. "Die ganze Welt ist schachverrückt", jubelte nach seinem Sieg der britische "Daily Telegraph".

Foto: Bobby Fischer am 10. August 1971.

Fischer verliert den Weltmeistertitel, taucht ab und versucht ein Comeback

Oft weigerte sich Fischer einfach aus einer Laune heraus, in wichtigen Spielen gegen seine Kontrahenten anzutreten. 1975 wurde ihm kurzerhand der Weltmeisterrang aberkannt, weil er seinen Titel partout nicht gegen Anatolji Karpow verteidigen wollte. Fischer tauchte ab, schloss sich in Kalifornien einer Sekte an und wurde erst 27 Jahre später wieder Gesprächsthema. Trotz US-Embargos trat Fischer 1992 während des Bürgerkriegs in Jugoslawien gegen seinen einstigen Rivalen Spasski an. In Belgrad behielt der Amerikaner die Oberhand und strich schließlich eine Siegerprämie von 3,35 Millionen Dollar Preisgeld ein, was von Seiten der USA als "illegaler Handel" deklariert wurde. Amerika erließ einen Haftbefehl und setzte den einstigen Volkshelden weltweit auf die Fahndungslisten. Fischer flüchtete. Zunächst nach Ungarn, später vermuteten Behörden ihn in der Fränkischen Schweiz, dann landete er in Japan, wo er nicht nur um politisches Asyl bat, sondern auch in Interviews emsig den Holocaust leugnete. Einige Biografen vermuten, dass es sich bei seinen antisemitischen Hetztiraden um eine Auflehnung gegenüber seine jüdischstämmige Mutter handeln könnte.

Der 11. September als "wundervolle Neuigkeit"

Als am 11. September nach dem Terrorangriff auf New York die Türme des World Trade Centers einstürzten, pries Fischer im Radio die Attacke als "wundervolle Neuigkeit". Das FBI forcierte die Ermittlungen gegen ihn. Doch erst 2004 gelang es der japanischen Polizei, ihn am Flughafen von Tokio zu verhaften. Fischer kam ins Gefängnis. Mit Unterstützung seiner langjährigen Lebensgefährtin Miyoko Watai, damals Präsidentin des japanischen Schachverbands, bemühte sich Bobby Fischer um Asyl. Rund 600 Schachfans kämpften für ihr Idol. Fischer beklagte sich, dass er in Haft angeblich neben einem defekten Atomreaktor leben müsse. Sollte man ihn in die USA ausliefern, würde er garantiert "ermordet" werden, so Fischer.


Die letzten Jahre

Acht Monate später, an seinem 62. Geburtstag, erhielt der Ex-Schachweltmeister schließlich einen isländischen Ausländerpass, den die japanischen Behörden zunächst nicht anerkannten. Erst als ihm obendrein die isländische Staatsbürgerschaft zuteil wurde, durfte Fischer in Begleitung seiner Lebensgefährtin, mit der er sich noch in der Haft verlobte, ausreisen. bobby Fischer verbrachte seine letzten Lebensjahre in Island, wo er schliesslich, nach längerer Krankheit, am 17. Januar 2008 im Alter von 64 Jahren an Nierenversagen starb.

Foto: Fischer nach seiner Entlassung aus neunmonatiger japanischer Haft im März 2005. Am 13. Juli 2004 war er beim Versuch der Ausreise aus Japan von japanischen Beamten aufgrund eines ungültigen Ausweises festgenommen worden.