15 Juli, 2007

AUF DEN SPUREN VON ROBERT WALSER

Unter kundiger Leitung der charmanten und kompetenten Literaturvermittlerin Martina Kuoni folgte ich am ersten Tropentag des Jahres den Spuren des Schweizer Schriftstellers Robert Walser in seiner Zürcher Zeit. Der Einstieg erfolgte im Robert Walser-Archiv in Zürich (Beethovenstrasse 7), wo viele Manuskripte und Briefe sowie die berühmten Mikrogramme aufbewahrt werden: Walser schrieb seine Texte mit Bleistift in winziger Sütterlinschrift auf. Sie kann nur von Experten entziffert werden. Ein Jahrzehnt lang, von 1896 bis 1905, lebte Walser in Zürich. (Bild links: Robert Walser um 1900). Er arbeitete als 'Commis' (Büroangestellter) in unzähligen Firmen, jeweils nur so lange, bis er genug Geld auf der Seite hatte, um sich wieder für einige Zeit dem Schreiben widmen zu können. 17 Wohnadressen sind aus dieser Zeit nachgewiesen: Mansarden in der Altstadt (z.B. Neumarkt 3, Grossmünsterplatz 6, Trittligasse 6, Frankengasse 24), in Aussersihl und auf dem Zürichberg. In Zürich schrieb Walser Gedichte und Prosastücke. An der Trittligasse 6 entstanden im Spätherbst 1901 "Fritz Kochers Aufsätze". Das Buch erschien 1904 im Insel Verlag. Es war kein grosser Erfolg, nur 49 Exemplare konnte der Verlag nach einem halben Jahr absetzen.
Nach dem Rundgang in der Zürcher Altstadt folgte eine Schiffahrt nach Wädenswil. Die zweite Jahreshälfte 1903 verbrachte Walser im kleinen Haus des Erfinders und Ingenieurs Carl Dubler in Wädenswil, das Walser ziemlich ironisch Villa «Zum Abendstern» nannte. Dublers Existenz endete in einem gewaltigen Konkurs. Fünf Wochen vorher hatte Robert Walser aber seine Stellung bei Dubler bereits aufgegeben. Als Frucht dieser Tätigkeit entstand später in Berlin der Roman «Der Gehülfe», in dem Dubler zum Fabrikanten Tobler wurde. Viele Schauplätze dieses Romans können heute noch mühelos in Wädenswil entdeckt werden. Die Villa «Zum Abendstern» gibt es immer noch. Dort wohnt jetzt Bernhard Echte, der bis Ende 2006 das Robert Walser-Archiv in Zürich geleitet und viele Mikrogramme Walsers entziffert hat. Bernhard Echte führte uns durch Wädenswil und durch das Haus und las anschliessend einige Texte von Robert Walser vor. Er und seine Gattin bewirteten uns den ganzen Nachmittag freundlich mit Tranksame (wichtig an diesem Hitzetag) und mit einem reichhaltigen Apéro.

Infos zu den Literaturführungen von Martina Kuoni unter http://www.literaturspur.ch/

Bilder unten: Die Villa "Zum Abendstern" in Wädenswil, das "Bureau" des Erfinders Tobler und der Gartenpavillon, der im Roman "Der Gehülfe" oft erwähnt wird.